Gehaltstransparenz 2.0: Wie LinkedIn, Glassdoor, Google und Co. Gehälter transparenter machen

Bewerbungsprozess 04.03.2018

Das Gehalt in einer neuen Position ist manchmal das Zünglein an der Waage sich für oder gegen einen neuen Job zu entscheiden. Obwohl Gehalt sicherlich nicht die gleiche Priorität bei allen Arbeitnehmern genießt, so ist es doch ein wichtiger Faktor und darf nicht unterschätzt werden. Gehalt ja, Transparenz j-nein … zumindest in Deutschland. Was in anderen Ländern wie USA, Kanada oder Schweden schon längst zur Normalität gehört, etwa, dass man über Gehälter offen spricht, ist hierzulande immer noch ein Thema über welches man lieber schweigt. Dazu vielleicht ein persönliches Beispiel vom letzten Sommer. Ich sitze mit den Kindern am Strand von Vancouver in der Sonne, als mich plötzlich eine Dame auf Deutsch anspricht und sich mir als Journalistin vorstellt. Sie schrieb in dieser Zeit einen Artikel, warum speziell Deutsche Schwierigkeiten haben, offen über das Thema Gehalt zu sprechen. Ein bisschen mulmig war mir schon dabei, und obwohl ich von mir durchaus sagen kann ein offener und sicherlich auch kosmopolitischer Mensch zu sein, war ich mir nicht sicher. Mein Mann war dann derjenige, der dem Ganzen eine Absage erteilte. Ganz Unrecht hatte die Dame mit ihrer Einschätzung wohl also doch nicht. Warum ist das so? Warum sind wir so verschlossen, wenn es um das Thema Gehaltstransparenz geht? Es ist sicherlich ein sensibles, aber auch begehrliches Thema, das derzeit heiß diskutiert wird. Was aber Deutschen nach wie vor Schweißperlen auf die Stirn treibt, ist in Kanadas größter Provinz Ontario längst Realität. Sämtliche Gehälter im öffentlichen Dienst ab 100.000 CAD (umgerechnet 62.800 Euro) sind in der sogenannten sunshine liste abgebildet. Diese Liste ist im Internet frei zugänglich und komplettiert mit Angabe des vollständigen Namens und des aktuellen Arbeitgebers. Auch in Schweden redet man offen über Gehalt und Gehaltsentwicklung. Kann man sich das in Deutschland auf breiter Bühne vorstellen? Wohl eher nicht oder aber noch nicht? Andererseits kann man auch in Deutschland einen klaren Trend hin zu mehr Gehaltstransparenz beobachten, wie das Beispiel des neues Gesetzes zur Entgelttransparenz, 2018 verabschiedet im Deutschen Bundestag, zeigt. Ziel dieses Gesetzes ist es, Frauen und Männer in Bezug auf ihr Gehalt gleich zu behandeln. Dieses Gesetz hat in deutschen Personalabteilungen die Wogen hoch schlagen lassen. Begriffe wie Vergleichsgruppe, Auskunftsanspruch oder Medianwert waren in aller Munde. Trotz dieses weitreichenden Schritts sind wir in Deutschland noch lange nicht da, wo wir gern sein möchten in der Gleichstellung von Gehältern und der Weg ist steinig und lang. „Die Zeit“ schrieb in einem Artikel von 2016, dass Frauen bei gleichem Alter, Erfahrung und Ausbildung im Schnitt 5,5 % weniger verdienen als Männer (unbereinigt 21 %). Auch im Jahr 2017 blieb diese Zahl laut statistischem Bundesamt unverändert. Doch es gibt gute Nachrichten aus dem World Wide Web. Wir als Arbeitgeber können jetzt ein Tool nutzen, was uns dem Thema „Equal Pay“ etwas näher bringt. Ein Feature, was auch Arbeitnehmer mit dem richtigen Vorwissen in eine (neue) Gehaltsverhandlung einsteigen lässt, sie unterstützt und dafür sorgt, dass sie sich nicht unter Wert verkaufen. Ein so genannter Realitätscheck schadet sicherlich auch hin und wieder nichts um unsere eigenen Vorstellungen zu überprüfen. Hier könnte für den Bewerber (oder auch langjährigen Mitarbeiter) das Netzwerk LinkedIn ins Spiel kommen, denn dieses hatte schon im November 2016 sein Feature „LinkedIn Salary“ in den USA eingeführt. Die mittlerweile mehr als 546 Millionen Nutzer umfassende Plattform bietet damit Premiumnutzern eine detaillierte Aufsplittung des Gehalts einer Position an und diese können daraufhin abwägen, ob die Rolle für sie in Frage kommt. Daten zur Unternehmensgröße werden ausgewertet, der Industriezweig, das Bildungsniveau des Bewerbers wird in Betracht gezogen und auch die geographische Lage des Unternehmens (Stadt/Metropolregion/Land) berücksichtigt. Auch Boni und andere Arten der monetären Beteiligung wie Aktien, etc. werden beachtet. Die dargestellten Zahlen basieren auf Informationen, die Nutzer dem Netzwerk zur Verfügung stellen. Mittlerweile ist dieses Feature auch in Deutschland, wenn auch mit einigen Abstrichen, nutzbar. Seit 2018 geht LinkedIn noch einen Schritt weiter und integriert „Salary Insights“ für den nordamerikanischen Raum und UK in seine Plattform. Alle Nutzer können jetzt eine Gehaltsempfehlung zur Position sehen. Die Daten hierfür basieren auf der vom Arbeitgeber entweder selbst übermittelten Werten, oder den Angaben anderer Nutzer des Netzwerkes. In einer kürzlich durchgeführten Studie fand LinkedIn heraus, dass sich mehr als 70 % der Fachkräfte in der ersten Kontaktaufnahme durch den Personalvermittler eine Information zum Gehalt wünschen, um zu wissen, ob ein Job die Gehaltskriterien erfüllt. Optisch sieht das Ganze so aus: Daniel Shapero, VP LinkedIn Talent Solutions, Career and Learning, fast dies mit den einfachen Worten zusammen: „We believe people would invest in themselves more if they knew the certain R.O.I. [return on investment]”. Ganz unrecht hat er damit nicht, denn für Nutzer von LinkedIn ist dieses Tool ein großer Bonus, Wenn man seinen eigenen Wert kennt, geht man mit anderen Voraussetzungen in eine Gehaltsverhandlung, oder aber meidet angebotene Positionen direkt, weil sie vielleicht unterhalb des Gehaltswunsches liegen. Für Recruiter oder Personalvermittler könnte dies im Umkehrschluss auch bedeuten, dass die Tage, in denen der Bewerber mit einem eher niedrigen Gehalt abgefertigt wurde, zu einem Ende kommen. Datenschützer in Deutschland sind wahrscheinlich schon jetzt alarmiert, denn um den Service nutzen zu können, müssen Mitglieder ihre Informationen zum eigenen Gehalt zur Verfügung stellen, erst dann sieht man die Zahlen. LinkedIn versichert jedoch, dass diese Daten streng vertraulich behandelt werden und natürlich steht es jedem frei, diesen Service zu nutzen. Nach dem aktuellen Facebook-Beispiel hinsichtlich Datensicherheit, sollte man sich aber jedoch die Zeit nehmen und FAQ noch einmal genau durchlesen. Im Zuge der zunehmenden weltweiten Mobilität der Arbeitnehmer ist „Salary Insights“ sicherlich ein praktisches Zuckerl. Ein deutscher Ingenieur kann damit beispielsweise sehen, was er in seiner Branche in Nordamerika verdienen könnte und dann abwägen, ob ein Umzug finanziell sinnvoll ist. LinkedIn ist nicht das einzige Unternehmen, welches sich dem Trend der Gehaltstransparenz angeschlossen hat. Auch Glassdoor oder Google Jobs sind erfolgreich in diesem Markt tätig. Um exakte und nachvollziehbare Daten anzubieten gehen diese Unternehmen dabei alle in ähnlicher Weise vor. Nutzerdaten werden analysiert und aufgewertet. LinkedIn geht beispielsweise davon aus, dass ca. 10 % der von Usern übermittelten Daten nicht haltbar sind und filtert diese vorab heraus. Daniel Shapero, kündigte auch an, in Zukunft enger mit Universitäten zusammenzuarbeiten, um Berufsneueinsteigern, die noch in der Karriereplanung sind, Gehaltsinformationen zur Verfügung zu stellen. Ein Filter, der in „Salary Insights“ fehlt, ist jedoch auch hier das Geschlecht des Bewerbers. Dies hat allerdings rein organisatorische Gründe, denn es wäre für LinkedIn schwierig gewesen, diese Daten zu sammeln (die Auswahl des „Geschlechts“ ist im Profil nicht enthalten). „Ich denke, unser Ziel ist es, Gespräche in diese Richtung zu erleichtern und Menschen dabei zu helfen, eine gute Entscheidung bei der Jobwahl zu treffen“, sagte Shapero, als er nach dem Mangel an Daten nach Geschlecht gefragt wurde. Im Umkehrschluss könnte es jedoch Frauen auch dabei helfen, ein Gefühl dafür zu bekommen, ob sie unterbezahlt sind. Egal, ob die Gehaltsangaben und etwaige Gehaltsvergleiche, die LinkedIn, Glassdoor oder Google anbieten am Ende repräsentativ oder im Detail verlässlich sind, klar ist eines: durch die Verbreitung in Netzwerken dieser Art werden Jobs oder auch Arbeitgeber in einem anderen Licht wahrgenommen, bewusst oder unbewusst. Eines ist jedoch sicher: Transparenz kann für ein Unternehmen teuer werden. Ein Start-up kann vielleicht dadurch Schwierigkeiten haben, geeignete Leute zu finden, denn viele streben in Gehaltsfragen vielleicht dann doch zum Marktführer. Für den Arbeitnehmer ist Transparenz natürlich vorteilhaft und steigert die Motivation. Für die Personalabteilung kommen neue Aufgaben hinzu, eventuell auch unerwartete Gehaltsdiskussionen. Es wird sicherlich noch ein spannendes HR-Jahr 2018.

Anja Muecher

Anja Muecher bloggt für das HRM Research Institute (HRM.de) aus Amerika über die amerikanische HR & Recruiting Branche. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern seit 2015 in Toronto, Kanada, und ist für Firmen und Privatpersonen selbstständig im HR-Bereich tätig. Sie begann ihre HR-Karriere 2006 bei „The Boston Consulting Group“ in Stockholm, Schweden. […]

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