#MeToo und die Auswirkungen auf das HR-Management

HR-Allgemein 06.25.2018

Spätestens seit Herbst 2017 ist jedem das Hashtag #MeToo ein Begriff. Durch den Weinstein-Skandal in den USA verbreitete sich dieser rasant, nicht nur in der virtuellen Welt. Bereits am Tag der Erstellung, am 15. Oktober, wurde dieser Hashtag mehr als 200.000-mal auf Twitter benutzt. Am Folgetag waren es bereits mehr als eine halbe Million Tweets und dieser Trend setzte sich auch in anderen sozialen Medien fort. In Facebook verwendeten innerhalb der ersten 24 Stunden schon 4,7 Millionen Benutzer in über zwölf Millionen Posts das Hashtag #MeToo. Die #MeToo-Bewegung thematisiert sexuelle Übergriffe, Missbrauch und Diskriminierung, und steht mittlerweile für eine weltweite Bewegung zur Auseinandersetzung über den Stand der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Initiiert in Hollywood, kam es innerhalb kürzester Zeit zu einem Aufschrei nicht nur im künstlerischen Bereich. Im Europäischen Parlament wurden Sondersitzungen beauftragt und auch in anderen Staaten und Regierungen der Welt wurden Stimmen laut. So gaben in einer Umfrage von 2017 ca. 58 % aller weiblichen Mitglieder des kanadischen Parlaments an, im Büro bereits sexuell belästigt worden zu sein. In Deutschland nahm die #MeToo-Bewegung Anfang 2018 ihren Höhepunkt durch Vorwürfe sexueller Übergriffe an Regisseur und Drehbuchautor Dieter Wedel, als vielleicht prominentestes Beispiel. Ein weltweites Gewitter #MeToo wurde zu einem weltweiten Gewitter, und es bewegte sich etwas in der Gesellschaft. Was dieses Mal allerdings neu war, war die sehr große Öffentlichkeitswirkung durch den Einsatz in den sozialen Medien. Viele Menschen nutzen durch das Hashtag die Gelegenheit, um ihre Erfahrungen unangemessenen Verhaltens, nicht nur sexueller Natur sowie Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, zu teilen. Eine Debatte, die bis heute nachwirkt und zahlreiche Menschen und Medien weltweit nach wie vor beschäftigt. Ein aktuelles Beispiel für #MeToo in den deutschen Medien ist die am 5. Juni 2018 ausgestrahlte Reportage auf NDR „Der kleine Unterschied“, die der Kampagne in verschiedensten Bereichen des sozialen Miteinanders nachging. Die Reportage porträtiert darin 18 Frauen aus unterschiedlichen Berufsfeldern und alle eint die Erfahrung, an einem oder mehreren Punkten ihrer Karrieren schmerzlich auf ihre Weiblichkeit zurückgeworfen worden zu sein. So berichten die Frauen in der Reportage von Alltagssexismus, Übergriffen oder von der Missachtung weiblicher Kompetenz. Es geht darin auch um männliche Netzwerke und um Rollenbilder, von denen viele denken, wir hätten sie längst überwunden. Auch der Personalbereich durchlief im Zuge von #MeToo einen großen Wandel und hat viele Veränderungen angestoßen. Viele Unternehmen sensibilisieren das Thema und schulen Mitarbeiter entsprechend. Belästigung wurde zunehmend in den Mittelpunkt gerückt und HR geht die Problematik auf vielfältige Weise an. So werden beispielsweise bei großen internationalen Unternehmen externe Dienstleister eingestellt, um Arbeitsplatzkultur-Audits durchzuführen, unabhängige Whistleblower-Dienste bereitgestellt und andere Arten von HR-Technologien (Hotlines) eingeführt, um im Fall einer Belästigung schnellstmöglich reagieren zu können. Trainings in der virtuellen Realität In kleineren Unternehmen, wo die HR-Funktion durchaus vom Chef noch persönlich ausgeführt wird, wird im Moment viel in Trainings zu diesem Thema investiert. Ein Anbieter in diesem Bereich ist die US-amerikanische Firma Vantage Point, ein Startup, welche virtuelle Realitätstrainings anbietet. Das Unternehmen wurde 2017, dem Jahr von #MeToo, von Morgan Mercer gegründet, welche selbst zweifaches Opfer sexueller Gewalt wurde. Als Kunde wählt man aus drei Modulen aus und trainiert dann mit seinen Mitarbeitern in Echtzeit. Das Schulungsmaterial berücksichtigt hier genau Kontext und diese doch mitunter sehr nuancierten Situationen. Manchmal ist eine Umarmung unter Kollegen in Ordnung und manchmal nicht und genau das wird geschult. Doch auch die anderen großen HR-Bereiche erlebten im Zuge von #MeToo Veränderungen. Diversity und Inklusionsinitiativen wurden auf den Weg gebraucht, umgeschrieben oder fortgesetzt. Stellenbeschreibungen wurden noch einmal umfassend geprüft und auch der vorhandene behavior based Fragenkatalog wurde überarbeitet. In einer Studie vom März 2018 zeigte sich, dass, obwohl eine Vielzahl von Unternehmen Policies im Bereich Belästigung haben, dies einem Großteil der Mitarbeiter gar nicht bewusst ist. In der Vergangenheit war es auch eher so, dass Trainings oder Policies dieser Art nur vereinzelt angesprochen wurden oder vielleicht auch in Vergessenheit geraten sind. Jetzt, im Zuge von #MeToo, wird auch im Onboarding-Prozess darauf hingewiesen. Doch alle sind sich einig: Alle Schulungen, internen Audits und andere Compliance-Fixes funktionieren nicht, wenn das obere Management sie nicht lebt. Das Unternehmen Nike zum Beispiel, das nach außen hin eine sehr homogene und geschlechterübergreifende Struktur aufweist, tauschte vor kurzem einen Teil seines „senior level“-Managements komplett aus, nachdem eine Reihe von Vorfällen hinsichtlich Benachteiligung, Belästigung von Frauen bekannt wurden. Auch Air Canada reagierte, nachdem eine Pilotin, die mehr als 30 Dienstjahre beschäftigt war, in Ottawa nun mehr vor Gericht zieht. Arbeitgeber stehen in der Pflicht Das Gleichbehandlungsgesetzt verbietet es uns, jemanden unmittelbar oder mittelbar zu diskriminieren. Fragen nach dem Geschlecht, des Familienstands oder des Umstands, dass jemand Kinder hat, ist bereits bei Begründung des Arbeitsverhältnisses verboten. Wenn aus dem Bewerber ein Mitarbeiter wird, und dieser in eine Situation mit Belästigung gerät, gilt es von Vorgesetztenseite oder HR, geeignete Maßnahmen zu ergreifen um die belästigte Person vor weiteren Aufdringlichkeiten zu schützen. Das Spektrum möglicher Maßnahmen reicht von der Ermahnung der diskriminierenden Person, über die Versetzung bis zur Kündigung oder Entlassung. Je schwerwiegender die Handlung, desto härter die Maßnahme. Greift der Arbeitgeber nicht ein, kann er schadenersatzpflichtig werden. Erfährt der Arbeitgeber von Fällen sexueller Belästigung, empfiehlt es sich, den Sachverhalt aufzuklären, die Betroffenen getrennt voneinander zu befragen, sowie eventuelle Beweise (Mails, versendete Bilder, Videos etc.) zu sichern. Einfachstes Mittel um im Unternehmen sexuelle Belästigungen zu reduzieren ist ein höflicher, neutraler und achtungsvoller Umgangston. Ebenso wichtig ist es, den betroffenen Mitarbeitern in Unternehmen ein Sprachrohr zu bieten: eine US-Umfrage von 809 Vollzeitangestellten aus verschiedenen Bereichen hat ergeben, dass 72 % der Betroffenen Vorfälle sexueller Belästigung nicht melden und 54 % die verursachende (meist männliche) Person nicht mit dem Vorfall konfrontiert. Es ist daher überaus wichtig, dass das Management, zusammen mit dem HR-Team, entsprechende Kommunikationswege bereitstellt, damit Betroffene die Möglichkeit haben, sich im Betrieb Gehör zu verschaffen. Wir müssen eine Kultur des Hinschauens und eine klare öffentliche Haltung entwickeln. Durch #MeToo wurde dieses Momentum geschaffen. Denn das, was da passiert, passiert nicht am Rande der Gesellschaft, sondern auch in modernen gläsernen Bürohochhäusern mitten in der Stadt. Nur wenn wir offen diskutieren, geben wir den Mitarbeitern eine Sprache, um ihre Erfahrungen zu verstehen und darüber zu sprechen. Dieser Prozess ist zum Wohle Aller: Eine moderne, gleichberechtigte Unternehmenskultur ist Grundlage für zufriedene und motivierte Mitarbeiter und damit Basis für ein erfolgreiches Business.

Anja Muecher

Anja Muecher bloggt für das HRM Research Institute (HRM.de) aus Amerika über die amerikanische HR & Recruiting Branche. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern seit 2015 in Toronto, Kanada, und ist für Firmen und Privatpersonen selbstständig im HR-Bereich tätig. Sie begann ihre HR-Karriere 2006 bei „The Boston Consulting Group“ in Stockholm, Schweden. […]

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