Cultural Fit – die unterschätzte Größe in der Personalgewinnung

Employer Branding 03.01.2019

Cultural Fit – Es menschelt immer und überall. Im Arbeitsalltag kann das Projekte und Prozesse erheblich unterstützen oder eben auch deren Erfolg komplett verhindern. Die  kulturelle „Passung“ ist für die Harmonie im Team oder Veränderungsprozesse elementar wichtig.

Eine umso größere Rolle sollte der Cultural Fit auch bei der Personalgewinnung spielen mit der simplen Frage: Passen Team und Kandidat zusammen? Dies ist um so bedeutsamer, wenn einem als Organisation oder Branche eine bestimmte Kultur zugeschrieben wird – wie zum Beispiel dem öffentlichen Dienst. Wie das funktioniert, erläutert Stefan Döring, HR-Experte mit Schwerpunkt auf den Public Sector.

Die Bedeutung des Cultural Fit im Recruiting

Die Kultur einer Organisation kann man nicht in 3 Sätzen beschreiben. Man spürt sie. Auch eine Arbeitgebermarke kann Kultur nur mit Beispielen ein Stück weit sichtbar machen.

Die Kultur besteht aus Grundannahmen, Werten, Normen und Überzeugungen. Wichtig zu wissen ist, dass es in Organisationen nicht nur eine Kultur gibt. Es ist völlig normal, wenn Abteilungen und Teams eigene Kulturen entwickeln, die im Idealfall aber einen starken, gemeinsamen Nenner haben.

Organisationskultur hat einen entscheidenden Einfluss auf das Handeln der Mitarbeiter. Sie bietet Orientierung, stärkt das Wir-Gefühl und hat einen integrativen Effekt im Sinne einer Corporate Identity.

Eine Organisationskultur kann zum Beispiel durch das Interpretieren von Umweltbedingungen und das Verhalten von Vorbildern verändert werden. Führungskräfte haben hier eine besondere Rolle.

Nur wenn die Kultur zwischen Organisation und Bewerber passt, fühlt sich ein neuer Kollege wohl und erledigt seine Aufgaben gerne und engagiert. Es ist also in der Personalgewinnung erfolgsrelevant, die Passung zur Kultur zu messen: Bewerber wissen, worauf sie sich einlassen. Frühe und vor allem teure Fluktuation oder – noch schlimmer – Frust und innerliche Kündigung aufgrund falscher Erwartungen werden so vermieden.

Quelle: Erwartete Vorteile kultureller Passung von Bewerbern, Quelle: Cultural Fit Studie 2016, meta HR Unternehmensberatung GmbH und Employour GmbH -an embrace company

Es kann wichtig sein, jemanden einzustellen, der in entscheidenden Punkten der Organisationskultur widerspricht. Auch dieser gewollte Cultural-Missfit kann ein Ziel sein. Warum? Damit sich intern etwas verändert! Wichtig ist dabei, dass diese Entscheidung im Unternehmen bewusst getroffen und vorab kommuniziert wird. Der Kandidat muss darüber hinaus mit ausreichender Macht und Befugnissen ausgestattet werden, um die Veränderung tatsächlich anstoßen zu können.

Auswirkungen einer „Public-Cultur“

Immer wieder höre ich, dass der Public Sector „anders“ tickt. Und nein, diese Aussagen sind eher nicht schmeichelhaft: Der öffentliche Dienst wäre starr, langsam, hätte ein ausgeprägtes Silodenken und Veränderungen würden nur extrem zäh umgesetzt.

Im Sinne des Cultural Fits werden sich die Kandidaten, die in so einer Kultur nicht arbeiten wollen, nicht bewerben. Was hier passiert, ist ein Effekt der kulturellen Passung: Bewerber selektieren sich selber.

Interessanterweise passiert das VOR einer Bewerbung und ist damit ein probates Mittel, nicht passende Kandidaten abzuhalten, eine Bewerbung zu schreiben. Damit ist auch das Argument der Personalabteilungen im öffentlichen Dienst, dass die Bestenauslese den Cultural Fit als Selektionsinstrument nicht zulässt, nicht haltbar.

Zusammenfassend sollte der öffentliche Dienst aus folgenden Gründen den Cultural Fit daher unbedingt messen:

  • Niemanden einstellen, der das Team „sprengt“ und so intern die Motivation hoch halten.
  • Bewusst die Kultur ändern.
  • Passende Kandidaten zeigen, wie man tickt, um sie zu einer Bewerbung zu motivieren.
  • Nicht passende Kandidaten im Sinne der Selbstselektion davon abhalten, sich zu bewerben.

Ist eine „Public-Kultur“ immer schädlich?

Die oben abgebildeten Statements über das Arbeiten im öffentlichen Dienst sind nicht selten Vorurteile oder Aussagen von Ehemaligen. Letzteres ist Ausdruck eines fehlenden Cultural-Fits. Weil die kulturelle Passung nicht erhoben wurde, kam es zu Einstellungen, die für beide Seiten unglücklich endete. Bewerber oder externe Partner hatten falsche Vorstellungen und wurden enttäuscht.

Fraglich ist, ob diese Meinungen für die Branche an sich stehen. Aus zwei Gründen halte ich dagegen:

  • So pauschal kann man das nicht sagen. Ich kenne viele Organisationen des öffentlichen Dienstes, auf die das ganz und gar nicht zutrifft.
  • Ob Konzern oder Mittelstand – ich kenne viele Wirtschaftsunternehmen, die sind noch unflexibler.

Branchentypisch scheint mir eine solche Kultur daher nicht zu sein. Ohne wissenschaftliche Belege zu haben, würde ich eher auf einen in diesen Organisationen ähnlichen Führungsstil tippen.

Es gibt darüberhinaus auch positive Eigenschaften, die einer Public-Kultur zugerechnet werden: Nach meiner Erfahrung sind im öffentlichen Dienst ein sehr guter Kollegenzusammenhalt, eine von Sinnhaftigkeit geprägte Kultur sowie ein gegenüber der Wirtschaft deutlich höhere Akzeptanz und Berücksichtigung von privaten Umständen der Beschäftigten im Sinne einer Work-Life-Balance vorhanden. Aber auch das ist ohne Zweifel zu pauschal. Dennoch können solche Themen den Unterschied ausmachen, wenn es um den Wettbewerb um Talente geht. Gerade hier kann der öffentliche Dienst punkten.

Ob nun positive oder negative kulturelle Unterschiede – Es ist wichtig, die Organisations- oder Branchenkultur zu thematisieren. Nur mit der Kenntnis über die eigene Kultur kann HR glaubhaft Personalmarketing betreiben und im Recruiting Dinge versprechen, die auch zu halten sind. Zu wissen wo man steht, hilft zudem, sich weiterzuentwickeln.

Stefan Döring

Dr. Stefan Döring ist Berater, Speaker und Dozent. Als Personalmanagement-Experte unterstützt er Organisationen bei Recruiting und Personalmarketing sowie Digitalisierung und HR-Professionalisierung. Seine Sicht auf die Themen verbloggt er auf www.leadinghr.blog

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