Employer Branding in wachsenden Unternehmen: Ein 8-Punkte-Programm

Employer Branding 03.09.2019

Flache Hierarchien, schnelle Entscheidungen, Donnerstags Pizza – läuft. Employer Branding im Startup klingt nach einer dankbaren Aufgabe. Was, wenn das Unternehmen wächst, wenn aus Mitarbeiter Nummer 6 auf einmal Mitarbeiter Nummer 106 wird? Es kommt, wie bei größeren Unternehmen auch, darauf an, für etwas zu stehen, das Bewerber anzieht und Talente hält, und zwar länger als ein oder zwei Jahre. In diesem Artikel erfahren Sie, wie das gehen kann, welche strategischen Schritte nötig sind und welche konkreten Maßnahmen wirken.

Einige der aufgegriffenen Ideen stammen von Personio, einem HR-Software Startup, das 2015 gegründet wurde und mittlerweile über 150 Mitarbeiter zählt.

1. Commitment des Managements einholen

Am Anfang einer Unternehmensgründung investieren Mitarbeiter Überstunden, verzichten auf hohe Gehälter und überschreiten Grenzen. Solche Missstände gilt es aufzulösen, wenn eine Firma größer wird. Mit wirtschaftlichem Wachstum wächst auch die soziale Verantwortung als Arbeitgeber. Es ist Aufgabe von HR, diese Notwendigkeit dem Management klar zu machen.

Mit einem Feelgood-Manager, kostenlosen Getränken und Obst für alle ist es nicht getan. Die Personalabteilung benötigt die Kompetenz und die Ressourcen, eine Arbeitgebermarke aufzubauen bzw. zu festigen, das ist Employer Branding Basisarbeit.

2. Ressourcen schaffen

HR, die Abteilung für alles, soll nebenbei auch Employer Branding machen. Geht nicht, bringt nichts. Ab 100 Mitarbeitern sollte es eine/n Employer Branding Verantwortliche/n geben, am Besten in Vollzeit. Dass eine Stelle gerechtfertigt ist, zeigen die vielfältigen Aufgaben: Neben der Talent Attraction (alle Maßnahmen, um Talente auf den Arbeitgeber aufmerksam zu machen, z. B. Entwicklung der EVP, Social Media, Recruiting-Events) gehört dazu eine enge Zusammenarbeit mit anderen HR Kollegen (aus Recruiting, Personalmanagement), um eine positive Candidate Experience sicher zu stellen.

Entscheidend ist vor allem, wenn man weiter wächst, dass die Employer Brand in jeder Aktivität, die vom Unternehmen ausgeht, zu erkennen ist: Wie Stellenanzeigen formuliert sind, welche Fragen im Bewerbungsgespräch kommen, welche Benefits im Angebot sind. Ein Verantwortlicher kann und muss das Gesamtbild kennen und sicherstellen, dass Aktionen aufeinander abgestimmt sind.

3. Externe Expertise holen

Der Instagram Kanal läuft gut, die letzte Weihnachtsfeier war ein Riesenerfolg und auch die Mitarbeiterumfrage zeigt, dass die Belegschaft alles in allem zufrieden ist. Und doch gibt es einen Grund, einen Schritt zurückzutreten: Um das Gesamtbild zu betrachten und den roten Faden zu finden bzw. zu entwickeln.

Externe Unterstützung heranzuziehen kann Sinn machen, etwa in Form einer Agentur. Das muss nicht viel kosten und kann schnell Ergebnisse bringen, denn die externe Sicht ist objektiver und stellt kritische, aber notwendige Fragen.

4. Herausfinden, wer man ist (und wer nicht)

Wie kann eine solche externe Zusammenarbeit aussehen? In einem Kick Off Workshop (halber Tag bis Tag) wird erarbeitet: Wie sehen wir uns aktuell? Was ist der Wunschkandidat? Was ist die Vision für 2022 – wo sehen wir uns als Arbeitgeber? Was wollen wir auf keinen Fall / Was wollen wir auf keinen Fall auf kununu lesen?

Mit einer SWOT-Analyse lassen sich Risiken und Chancen ableiten und mit Hilfe von Fokusgruppen kann die Sichtweise der Mitarbeiter mit der des Managements und der des Arbeitsmarktes abgeglichen werden. Eine Wettbewerbsanalyse hilft, mögliche Differenzierungsmerkmale herauszufiltern.

Am Ende soll klar sein: Dafür steht das Unternehmen als Arbeitgeber. Damit kann im nächsten Schritt die Employer Value Proposition (EVP) formuliert werden, die eine Grundlage für alle Employer Branding Aktivitäten bildet.

Was die Personalverantwortlichen ab dann sicherstellen sollten: dass sich diese Werte in sämtlichen Aktivitäten widerspiegeln und dass neue Maßnahmen darauf einzahlen.

5. “Frühe” Mitarbeiter binden

In großen Strukturen geht schnell mal das Persönliche verloren – wie der Austausch mit dem Management oder anderen Abteilungen. Wenn pro Monat (wie bei Personio) zwischen zehn und 17 neue Mitarbeiter starten, dann kann es passieren, dass sich Kollegen aus den Augen verlieren. Wie gegensteuern? Zum einen mit Onboarding-Sessions, die neuen Mitarbeitern nach und nach, ausführlich Teams, Strukturen, Aufgaben, Ziele nahe bringen.

Zum anderen helfen sogenannte Community Spaces wie eine offene Küche, ein “Coffee Corner” oder Coworking Spaces. Teamevents und unternehmensübergreifende Events fördern Zusammenhalt und Kennenlernen. Was Personio gemacht hat: Mitarbeiter finden einen gebrandeten wiederverwendbaren Kaffeebecher auf ihrem Schreibtisch und dazu eine persönliche Slack-Nachricht: “Nutzt die Chance, Kaffee mit jemanden zu trinken, den ihr noch nicht kennt.”

Wöchentliche Allteam-Meetings rufen immer wieder die Vision ins Gedächtnis der Belegschaft; zudem haben einzelne Abteilungen die Chance ihre Fortschritte zu teilen. Positiver, nicht zu unterschätzender Nebeneffekt: Mitarbeiter sehen, wie ihr eigener Erfolg zum Unternehmenserfolg beiträgt. Mehr Bindung geht nicht.

Auf individueller Ebene kann HR für Festangestellte ein Entwicklungsbudget herausgeben und Hilfestellung geben, wofür man es nutzen kann. Gute und vielfältige Benefits binden Mitarbeiter; bei Personio ist das ein UNU Elektroroller bzw. ein Zuschuss für den öffentlichen Nahverkehr, Fitnessangebote, flexible Arbeitszeiten, modernes Equipment u.v.m.

6. Ausprobieren, aber nicht ewig

Wer jung ist, experimentiert. “Fail fast, learn fast”, lautet ein gängiges Mantra für Startups, das durchaus seine Berechtigung hat, auch im HR. Ob ein Event funktioniert oder nicht, sprich, ob Gespräche mit guten Bewerbern entstehen oder gar konkrete Bewerbungen folgen, weiß im Vorfeld niemand. Daher ist ausprobieren wichtig. Was auch wichtig ist: Aufhören, wenn etwas nichts bringt.

Am besten, HR setzt sich vor einer Maßnahme Ziele, die können auch qualitativer Natur sein (von Talenten erfahren, was sie sich vom Arbeitgeber erwarten), um am Ende abzugleichen, inwiefern die Ziele erreicht wurden. Je mehr ein Unternehmen selbst in die Hand nimmt (zum Beispiel einen Workshop auf einer Messe anbieten anstatt einfach nur präsent zu sein), umso leichter ist es, auf Ziele Einfluss zu nehmen und einen guten Eindruck bei den Teilnehmern zu hinterlassen.

7. Referrals fördern

Die Quote der Bewerber, die am Ende ein Angebot erhält, liegt bei Personio bei 1,1 Prozent. Unter den Bewerbern, die empfohlen wurden – Referrals – sind es 19 Prozent. Erste Lektion: Die Personalabteilung sollte messen, wie effizient sie einstellt. Zweite Lektion: Referrals sind unverzichtbar.

Personio hat ein Referral-Programm eingeführt: Dabei analysiert HR, welche Stellen besonders wichtig sind, woraufhin HR begleitend mit Kollegen aus den Fachabteilungen nach Kandidaten sourct (den Text für die Kontaktaufnahme via LinkedIn oder Xing stellt), und am Ende, bei Erfolg, einen Referral Bonus aushändigt. Das wird in großer Runde gefeiert, sodass weitere Kollegen motiviert werden.

Authentizität ist wichtig, also nur versprechen, was man halten kann. Das befördert einen Positiv-Kreislauf, in dem zufriedene bestehende Mitarbeiter die gute Reputation weitertragen, darüber neue gute Leute anziehen, die zu zufriedenen Mitarbeitern werden, die wiederum neue Leute anziehen.

8. Standards setzen

Von den Marketing-Kollegen trifft man selten alle an, während im Sales immer die komplette Mannschaft da ist. Es kann passieren, dass sich – teamintern oder auch über informelle Netzwerke – Praktiken einspielen, die nicht von allen gleichermaßen gelebt werden.

Dass es für alle den gleichen Standard gibt, ist wichtig, wenn ein Unternehmen wächst, denn dabei geht es oft um Fairness. HR ist hier gefragt, die Aufgabe ist vor allem kommunikativer Natur. In den wöchentlichen Allteam-Meetings zum Beispiel kann HR auf solche Unternehmensstandards hinweisen, und betonen, dass sie sich aus den Werten der Organisation ableiten (Home Office > Flexibilität), die natürlich für alle gelten.

Fazit

Wer wächst, muss nicht unbedingt mehr von allem machen. Vielmehr gilt es zu prüfen: Machen wir, was zu uns passt, sind unsere Aktivitäten aufeinander abgestimmt und messen wir, was wir machen?

Ist die EVP formuliert, sollte sie entlang der gesamten Candidate Journey an allen relevanten Kontaktpunkten erlebbar werden: Im besten Fall merken Bewerber in der Phase vor dem Eintritt ins Unternehmen, in der Bewerbungsphase und wenn sie schließlich im Unternehmen arbeiten, was den Arbeitgeber besonders macht.

Das kann nur dem gelingen, der authentisch ist. Wer verspricht, dass Mitarbeiter das Wichtigste sind, sollte sie das erleben lassen, zum Beispiel in Form von Weiterbildungen, intelligenten Feedback-Programmen oder einfach durch eine gelebte positive Unternehmenskultur. So fördert und entwickelt ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter entlang ihrer Stärken und Neigungen. Individuen wollen wachsen und Ziele erreichen. Wer also diese Leidenschaft nährt und fördert, der sichert das Wachstum der gesamten Organisation.

Stefanie Nürnberger schreibt als freie Autorin für Personio über Themen aus der HR-Welt. Für den Beitrag hat sie mit Cassandra Hoermann, Employer Branding Manager bei Personio, gesprochen.

Sebastian Ofer

Editor in Chief

Sebastian Ofer ist Chefredakteur der Online-Portale HRM.de und HRM.ch sowie des TALENTpro-Blogs. Der Journalist und studierte Germanist hat ein sicheres Auge für spannende personalwirtschaftliche Themengebiete und die neusten Trends der Arbeitswelt.

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