„Wer Auszubildende finden will, muss die Bedürfnisse der jungen Leute kennen“

Der Fachkräftemangel betrifft nahezu alle Branchen. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen müssen zunehmend kreativ sein, wollen sie im „War of Talent“ nicht zurückbleiben. Prof. Dr. Susanne Böhlich lehrt mit den Schwerpunkten Human Resources Management und Corporate Governance und hat in den vergangenen Jahren mehrere Studien über die Generationen „Y“ und „Z“ angestellt. Welche Bedeutung diesen Generationen angesichts des akuten Mangels an Fachkräften zukommt und was Arbeitgeber beachten müssen, wollen sie die besten Talente dieser Generationen für sich gewinnen, verrät sie im Interview.

Prof. Dr. Susanne Böhlich ist Studiengangsleiterin für den Masterstudiengang Internationales Management an der IUBH Internationalen Hochschule und lehrt mit den Schwerpunkten Human Resources Management und Corporate Governance ( Foto: privat).

Frau Dr. Böhlich, welche Branchen und Unternehmen sind derzeit am meisten vom Fachkräftemangel betroffen?

Dr. Susanne Böhlich: Eigentlich alle. Man hört immer wieder, es sei nicht flächendeckend, aber egal, wo ich momentan hinkomme oder mit welchem Unternehmen ich Kontakt habe, alle leiden unter dem Fachkräftemangel. Unternehmen wie  Google sind vielleicht noch eine Ausnahme, die können sich vor Bewerbungen bestimmt immer noch nicht retten. Wobei ich auch da nicht ausschließen möchte, dass es dort bei dem einen oder anderen Expertenjob Probleme gibt. Natürlich sind Regionen unterschiedlich vom Fachkräftemangel betroffen, die Attraktivität der Region spielt eine große Rolle: Absolventen gehen lieber nach München, Berlin oder Hamburg als in den Westerwald oder nach Ostdeutschland. Der Mangel betrifft sehr stark die technisch-naturwissenschaftlichen Berufe, die sogenannten MINT-Fächer, aber auch den Gesundheitsbereich oder die Gastronomie. Beides sind Branchen, die nicht so gut bezahlen und die eher unattraktive Arbeitszeiten haben. Gerade habe ich mit einem Unternehmen im Bankensektor gesprochen, die Probleme haben, Auszubildende zu finden. Und wenn sie die Azubis nach der Ausbildung übernehmen wollen, dann sagen die: „Nein, es gefällt uns doch nicht so gut“ oder „Wir gehen lieber studieren“ und kommen dann tendenziell nicht wieder zurück. Es zieht sich wirklich durch alle Branchen. 

Welche Gründe machen Sie für diesen Mangel an Fachkräften verantwortlich?

Dr. Susanne Böhlich: Der wesentlichste Einflussfaktor ist sicherlich der demografische Wandel. Es kommen einfach weniger junge Mitarbeiter nach als ältere in Ruhestand gehen. Dazu geht es der deutschen Wirtschaft relativ gut – das Wirtschaftswachstum ist hoch. Die meisten Unternehmen wollen Personal aufbauen und befinden sich auf der Suche nach Mitarbeitern. Wenn der Arbeitsmarkt derart eng ist, wirkt sich das besonders aus.

Welche Maßnahmen können dem Fachkräfteengpass entgegenwirken?

Dr. Susanne Böhlich: Ein großes Thema ist die Aus- und Weiterbildung. Wir verlieren Menschen für den Arbeitsmarkt, die falsch, gering oder gar nicht qualifiziert sind. Wir verlieren junge Menschen, die aufgrund ihrer geringen Qualifikation Probleme haben, überhaupt erst einmal eine Ausbildung zu machen.

Ein anderes Thema ist die Rückkehr ins Erwerbsleben – das betrifft gerade Mütter nach der Elternzeit. Nachdenken sollte man auch über den Ruhestand. Dass man Mitarbeitern immer noch anbietet, in den Vorruhestand gehen zu können, sehe ich hinsichtlich des akuten Mangels an Fachkräften zumindest problematisch. Da geht den Unternehmen sehr viel Wissen und Erfahrung verloren.

Man sollte Angestellten Anreize geben, aus einer Teilzeit aufzustocken. Und auch die Zuwanderung ist ein Thema. Man sollte es qualifizierten Ausländern ermöglichen, leichter bei uns arbeiten zu können. Und für das einzelne Unternehmen ist natürlich Arbeitgeberattraktivität ein Faktor. Sich die einfache Frage zu stellen: „Was kann ich meinen potentiellen Mitarbeitern bieten, dass sie auch Lust haben, bei mir anzufangen und auch zu bleiben?“

Was raten Sie gerade kleineren und mittelständigen Unternehmen, die potentielle Kandidaten nicht mit einer Weltmarke locken können, um attraktiver für Fachkräfte zu werden?

Dr. Susanne Böhlich: Hier geht es vor allem um das Thema Arbeitgeberattraktivität. Diese Unternehmen haben häufig die großen Nachteile, dass man sie gar nicht so richtig kennt und sie oftmals in Regionen sitzen, die vielleicht nicht ganz so attraktiv sind. Gefühlt können sie gerade den jüngeren Leuten weniger bieten an Perspektiven oder Gehaltniveau – verglichen mit einem Großkonzern. Da müssen sie sich auf ihre Stärken besinnen, darauf, was sie richtig gut macht. Das ist häufig die gute wirtschaftliche Situation und die damit verbundene Jobsicherheit für die Angestellten. Das ist ein Argument, welches gerade die jüngere Generation, die „Generation Z“ so schätzt. Planbarkeit, Struktur, ein gutes Betriebsklima, vielleicht sogar das Familiäre – das sind alles Punkte, die gerade viele kleine und mittlere Unternehmen ausmachen. Oder, denkt man an die schon etwas älteren potentiellen Mitarbeiter oder die „Generation Y“, dann ist es attraktiv, dass man in kleineren und mittleren Unternehmen oft schnell Verantwortung im Job übernehmen kann. Der Aufgabenbereich ist dort oft größer und dadurch auch attraktiver.

Wie wird sich der Fachkräftemangel entwickeln? Und welche Rolle spielt in dieser Entwicklung die „Generation Z“, die Sie gerade angesprochen haben?

Dr. Susanne Böhlich: Sollte der Konjunktureinbruch, der von manchen vorhergesagt wird, ausbleiben, wird der Fachkräftemangel sich schon allein aufgrund der demografischen Entwicklung eher verstärken. Wenn man sich die Alterspyramide ansieht, bekommt man eine Vorstellung davon, wie viele Arbeitnehmer in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Dadurch kommt der „Generation Z“, also der Generation, die jetzt in das Berufsleben eintritt, eine große Bedeutung zu. Sie wird massiv umworben werden, das heißt aber auch, dass sich Arbeitgeber noch stärker auf diese Generation einstellen müssen. Denn die „Generation Z“ ist sich ihrer Marktmacht bewusst und durchaus wechselfreudig.

Sie haben in letzter Zeit viele Forschungen zur „Generation Z“ angestellt. Wie lässt sich diese Generation denn beschreiben? Und wie ist ihr Verhältnis zur Arbeitswelt?

Dr. Susanne Böhlich: Bei der Vorgängergeneration „Y“ haben wir von den „Helikoptereltern“ gesprochen, die wie Hubschrauber über ihren Kindern kreisen, um sicherzustellen, dass es

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Editor in Chief at HRM Research Institute GmbH | Website | + posts

Sebastian Ofer ist Chefredakteur der Online-Portale HRM.de und HRM.ch sowie des TALENTpro-Blogs. Der Journalist und studierte Germanist hat ein sicheres Auge für spannende personalwirtschaftliche Themengebiete und die neusten Trends der Arbeitswelt.

Sebastian Ofer

Sebastian Ofer ist Chefredakteur der Online-Portale HRM.de und HRM.ch sowie des TALENTpro-Blogs. Der Journalist und studierte Germanist hat ein sicheres Auge für spannende personalwirtschaftliche Themengebiete und die neusten Trends der Arbeitswelt.