Erfolg in der Karriere heißt Führungsposition! Oder geht es auch anders?

HR-Allgemein 05.16.2019

„Hurra, endlich Führungskraft“, jubelt derjenige, für den ein langersehnter Karrierewunsch in Erfüllung geht. Für den Individual Contributor ist es der wahr gewordene Alptraum, denn trotz mehrerer Jahre im Job und seiner Expertise will er eigentlich gar nicht führen. Heißt das, dass der Individual Contributor weniger erfolgreich ist?

Jeder Mitarbeiter reagiert anders auf den nächsten Schritt in der Karriere und/oder seine erste Führungsaufgabe und sicherlich ist Führen, spannend und auch eine steile Lernkurve für den Mitarbeiter. Dennoch ist es nicht jedermanns Sache. Aber in den meisten Köpfen bedeutet Erfolg in der Karriere nun mal, dass man ab einem gewissen Alter auch automatisch Mitarbeiter führt.

Immer weniger Berufsanfänger wollen führen

Interessant ist aber nun, dass laut einer aktuellen Studie von Manpower aus dem Jahre 2017 nur noch 13 % der Berufsanfänger im Laufe ihrer Karriere überhaupt einen Führungsjob haben wollen. Es sieht so aus, als wollten Millennials nicht Chef sein und eine Expertenlaufbahn vorziehen. Das bringt viele Unternehmen in eine Zwickmühle, denn bis dato hat das altbewährte System funktioniert, denn vor allem junge und ambitionierte Berufsanfänger konnte man mit dem Credo „Viel Arbeit, viel Geld und schnell zu Verantwortung“ locken. Steuern wir vielleicht sogar auch einen zukünftigen Mangel an Führungskräften zu?

Damit dies nicht passiert, ist ein Umdenken in der Branche gefragt. Nicht immer ist der Mitarbeiter, den wir im HR als nächste Führungskraft sehen und seit Jahren auf diese Rolle vorbereiten, auch bereit diesen Weg schlussendlich zu gehen.

Umdenken ist gefragt

Ein Unternehmen, das sich diesen Fall ganz neu aufgestellt hat, ist die Düsseldorfer Firma Henkel. Dort gehen Mitarbeiter mit Führungskräften in den Dialog, um Alternativen zur klassischen Karriere mit Führungsverantwortung zu entwickeln. Getreu dem Motto: „A title doesn‘t make you a leader“ hat Henkel eine Experten- und Projektlaufbahn ins Leben gerufen. Der Mitarbeiter entwickelt sich in beiden Szenarien zu einem hochspezialisierten Experten in einem bestimmten Gebiet weiter oder übernimmt mehr und mehr Verantwortung für komplexere Projekte im Laufe seiner Tätigkeit. Hier wird deutlich, dass sich Karriere sehr vielfältig gestalten lässt und sich nicht auf die klassische Führungsaufgabe beschränken muss. Ein weiterer positiver Aspekt dieser Strategie wird für High Potentials beobachtet, die sich besser verstanden fühlen und sich von Anfang an im Unternehmen entfalten können. Das Beispiel Henkel zeigt, dass unser Arbeitsumfeld dynamischer geworden ist und nach neuen Ideen verlangt. Durch ein Expertendasein diskutiert man vielfältiger und auch auf Augenhöhe. Alte und starre Strukturen werden zumindest aufgeweicht.

Holokratisch statt vertikal

Eine weitere Möglichkeit, klassisches Hierarchie-Denken anzugehen, besteht darin, die Mitarbeiter in ihrer Rolle deutlich breiter aufzustellen. Diese Mitarbeiter können so situationsbedingt auch in anderen Bereichen Verantwortung übernehmen. Diese Organisationsstruktur, bekannt durch den Unternehmer Brian Robertson von Ternary Software, ist ein recht neues Konzept auf dem Jobmarkt und nennt sich „Holokratie“. Mitarbeiter werden hier, statt in der klassisch-vertikalen Verteilung Mitarbeiter -> Führungskraft -> CEO, in Kreisen bzw. Unterkreisen angeordnet. In diesem holokratisch organisierten Team wechselt der Mitarbeiter dann viel häufiger seine Rolle bzw. seinen Arbeitsbereich. Da es keine klassischen Führungsrollen mehr gibt, stoßen die Teammitglieder aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit Problemen selbst neue Entwicklungen an. Diese sogenannten Flash-Teams arbeiten vollkommen eigenverantwortlich, auch mit Freelancern zusammen, über Silos hinweg.

Hintergrund, warum sich Unternehmen für Holokratie entschieden haben, ist, dass man festgestellt hatte, dass manche Jobbeschreibungen und Tätigkeitsfelder nach ein paar Jahren weniger inspirierend oder herausfordernd für dessen Inhaber sind und vielleicht auch nicht mehr zur Entwicklung des Mitarbeiters passen. Mit dieser neuen Sichtweise wird die Verantwortung für eine Aufgabe auf mehrere Mitarbeiter übertragen und ein dynamisches Handeln entlang der Wertschöpfungskette wird auf allen Ebenen sichergestellt. Alle Beteiligten werden zum CEO und haben vollständigen Überblick über das Projekt.

Mentoren statt Führungskräfte

Eine aktuelle Studie von Bain aus dem Jahr 2017, die sich mit dem Thema der Automatisierung des Arbeitsfeldes beschäftigt, zeigt, dass alternative Karriereoptionen durchaus in vielen Firmen in den nächsten Jahren zum Trend werden. Demnach erwartet man, dass sich bis 2027 mehr und mehr Teams selbst managen und viele Mitarbeiter auch keinen festen Vorgesetzten mehr haben werden. Vielmehr schlüpft ein Mentor in die Rolle der Führungskraft, der die Mitarbeiter von Projekt zu Projekt führt. Das klassische Top-Talent, das früher für eine Führungsrolle gecoacht wurde, bleibt jetzt eher in seiner Rolle und erweitert sein Aufgabengebiet horizontal.

Unsere Wirtschaft ist in den letzten Jahren serviceorientierter und zunehmend digitaler geworden. Die Bedeutung von Entscheidungsgeschwindigkeit hat enorm zugenommen. Wir müssen in unserem Handeln flexibler werden und der neuen Generation Mitarbeiter alternative Karrierewege aufzeigen. Obwohl wir noch nicht wissen, wie sich das Berufsleben dieser Generation entwickeln wird, wissen wir, dass viele dieser Mitarbeiter heute mehr Wert auf Lernen und neue Erfahrungen in ihrer Rolle legen, als auf traditionelle Anreize, wie den Aufstieg in der Unternehmenshierarchie. Das Denken im Unternehmen muss sich wandeln, denn ein Business-Leader kann in jeder Ebene eines Unternehmens zu finden sein.

Anja Muecher

Anja Muecher bloggt für das HRM Research Institute (HRM.de) aus Amerika über die amerikanische HR & Recruiting Branche. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern seit 2015 in Toronto, Kanada, und ist für Firmen und Privatpersonen selbstständig im HR-Bereich tätig. Sie begann ihre HR-Karriere 2006 bei „The Boston Consulting Group“ in Stockholm, Schweden. […]

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