Gutes Bauchgefühl alleine reicht nicht – wie trifft man eine professionelle Personalauswahl?

Der Fachkräftemangel ist inzwischen in allen Branchen spürbar, je nach Region mehr oder weniger stark. Es wird immer schwieriger, geeignete Bewerber zu finden. Besonders eklatant wird es in allen Bereichen der IT, gute Entwickler sind heiß begehrt und werden hoch gehandelt. In dieser Ausgangslage tritt der Prozess der eigentlichen Bewerber-Auswahl oft völlig in den Hintergrund, frei nach dem Motto: Hauptsache, wir bekommen überhaupt jemanden, zu wählerisch können wir dabei nicht sein.

Auch unabhängig von diesem starken Bewerbermarkt kommt es nicht selten vor, dass Einstellungsinterviews unprofessionell geführt werden. Häufige Fehler sind dabei eine übertrieben ausführliche Selbstdarstellung des Interviewers, unstrukturierte, aus dem Moment heraus gestellte Fragen, die nicht im Zusammenhang mit der eigentlichen Position stehen und sehr schnelle Urteilsbildung („jemand mit Übergewicht ist grundsätzlich undiszipliniert und passt nicht zu uns“).

Im Ergebnis werden oftmals Mitarbeiter eingestellt, die nicht die erforderlichen Kompetenzen haben – die aber offen und freundlich wirken, die gleichen Hobbies haben wie der Vorgesetzte oder aus der gleichen Gegend stammen. Solche Entscheidungskriterien sorgen dafür, dass man „Best Buddies“ bekommt, aber nicht zwingend die für die jeweilige Position geeigneten Mitarbeiter.

Wie kann man Rekrutierungsprozesse also besser machen?

Zunächst ist es wichtig, klare Aufgabenprofile zu erstellen. Sich die Zeit zu nehmen, genau zu beschreiben, welche Aufgaben in der vakanten Position erledigt werden sollen und diese dann in ein klares Anforderungsprofil an die Bewerber zu übersetzen, das ist nicht trivial. Hier ist präzises Definieren und Formulieren gefragt, es müssen Gespräche mit den Fachvorgesetzten bzw. bei höheren Positionen auch mit der Geschäftsführung geführt werden um ein Gesamtbild zu erstellen, aus dem klar hervorgeht, welche fachlichen und sozialen Kompetenzen ein Bewerber für die jeweilige Position mitbringen sollte. Für einen professionellen Rekrutierungsprozess ist sowohl ein eindeutiges Stellenprofil als auch das daraus resultierende Kompetenzprofil des Stelleninhabers als Basis unerlässlich.

Manchmal werden Stellenprofile im laufenden Bewerbungsprozess noch angepasst. Oft findet im Unternehmen erst dann die wirkliche Diskussion statt, wenn die Bewerber im Interview unbequeme Fragen stellen. Das wirkt unprofessionell und kann Bewerber abschrecken. Mein dringender Rat daher:

Erstellen Sie eine saubere Stellenbeschreibung und leiten Sie daraus ganz sachlich die notwendigen fachlichen und sozialen Kompetenzen des zukünftigen Stelleninhabers ab.

Ist diese Vorarbeit erledigt, wird über den Weg entschieden, auf dem potenzielle Bewerber angesprochen werden. Bei weniger verantwortungsvollen Positionen wird man eher ein Stellenangebot in den einschlägigen Fachportalen schalten, bei diskret zu besetzenden und/oder Leitungsfunktionen wird in der Regel eine Personalberatung eingeschaltet. Gute Personalberater erkennt man übrigens daran, dass Sie explizit auf der oben genannten Vorarbeit bestehen und das Stellenprofil hinterfragen, um tatsächlich passgenaue Bewerber vorstellen zu können.

Sobald die ersten Bewerbungen eingehen bzw. die ersten Kandidaten vorgestellt werden, sind häufig unstrukturierte Interviews der nächste Schritt im Rekrutierungsverfahren. Selbst für hochkarätige Positionen gibt es nach meiner persönlichen (aktiven und passiven) Erfahrung häufig keine wirkliche Überprüfung der Fach- und Sozialkompetenz. Dadurch ist die Zahl der Fehlbesetzungen erstaunlich hoch und man kann dann wenige Monate später in den entsprechenden Branchendiensten lesen, dass man sich nach wenigen Monaten schon wieder getrennt hat – das berühmte gegenseitige Einvernehmen, die viel zitierten neuen Herausforderungen werden angeführt.

Mit personellen Fehlentscheidungen sind grundsätzlich hohe Kosten verbunden. In einer Studie des BPM Bundesverbandes für Personalmanager wird eine Beispielrechnung aufgestellt, nach der die Kosten für eine Fehleinstellung für Spezialisten bei 50.000 Euro liegen, bei höheren Führungskräften belaufen sich diese Kosten auf bis zu 150.000 Euro (Siehe www.bpm.de/sites/default/files/bpm_service_fehlbesetzung.pdf).

Wie aber lassen sich Fehlbesetzungskosten möglichst ganz vermeiden?

Eine Garantie gibt es selbstverständlich bei keiner Neubesetzung, wenn das aufnehmende Unternehmen den Auswahlprozess jedoch strukturiert und mit Hilfe eignungsdiagnostischen Tools gestaltet, ist die Chance sehr hoch, dass der richtige Bewerber bzw. die richtige Bewerberin gefunden wird. Was heißt das nun genau?

Unter Eignungsdiagnostik wird die Gesamtzahl aller Grundsätze, Verfahren und Vorgehensweisen zur Erfassung von Kompetenzen und Verhaltenstendenzen von Bewerbern verstanden. Das beinhaltet zum Beispiel professionell aufgesetzte Assessment Center (ACs), wie sie eher in großen Unternehmen angewendet werden. Ein AC ist eine Kombination aus verschiedenen Einzel- und Gruppenübungen, die kompakt an einem oder zwei Tagen von allen Bewerbern auf eine Position in gleicher Weise durchlaufen werden. Mögliche Komponenten eines AC können sein:

  • Strukturiertes Interview
  • Psychologische Testverfahren (Web-basiert)
  • Business Cases (mit anschließender Präsentation)
  • Gruppendiskussionen
  • Rollenspiele, z.B. zur Simulation eines Mitarbeitergespräches
  • Belastungstests, z.B. eine „Postkorb-Übung“
  • Wissenstests
  • Es ist nicht zwingend notwendig, alle Komponenten in jedem Fall durchzuführen. So unterstützen wir beispielsweise bei OMC zwei Mal jährlich ein Unternehmen bei der Auswahl der neuen Trainees. Die jungen Kandidaten werden für einen Tag eingeladen und mit Hilfe einer genau auf die Stellenprofile zugeschnittene Kombination aus Wissenstest, Einzel- und Gruppenübungen getestet. Den ganzen Tag über werden sie von geschulten Beobachtern begleitet und anhand vorher festgelegter Kriterien beurteilt. So entsteht ein gutes Gesamtbild von

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    Claudia Michalski, Diplom-Volkswirtin und langjährige Geschäftsführerin verschiedener Medienhäuser (Handelsblatt/Beuth), ist Expertin für Change- und Trennungsmanagement. Seit 2016 führt sie als geschäftsführende Gesellschafterin die OMC OpenMind Management Consulting GmbH und unterstützt Unternehmen in der (digitalen) Transformation sowie Führungskräfte bei der persönlichen Neuausrichtung. Veränderungen in der Sache konsequent und gleichzeitig respektvoll umzusetzen ist ihre Mission.

    Claudia Michalski

    Claudia Michalski, Diplom-Volkswirtin und langjährige Geschäftsführerin verschiedener Medienhäuser (Handelsblatt/Beuth), ist Expertin für Change- und Trennungsmanagement. Seit 2016 führt sie als geschäftsführende Gesellschafterin die OMC OpenMind Management Consulting GmbH und unterstützt Unternehmen in der (digitalen) Transformation sowie Führungskräfte bei der persönlichen Neuausrichtung. Veränderungen in der Sache konsequent und gleichzeitig respektvoll umzusetzen ist ihre Mission.