Social Recruiting: Zwischen Insta-Fakes und Wirklichkeit

Bewerbungsprozess 02.11.2020

Heute sucht so ziemlich jedes Unternehmen über die sozialen Netzwerke nach Kandidaten. Auf LinkedIn und Xing sowieso, längst aber auch auf Facebook, Insta und Co. Du auch? Dann ist Dir beim Profilcheck eines Kandidaten vielleicht auch schon mal heiß und kalt geworden. Ja, ein bisschen Coolness gehört beim Social-Media-Recruiting, kurz Social Recruiting, schon dazu.

Social Recruiting: Vom No-Go zum Hype

Social Recruiting hat die Personalbeschaffung im Sturm erobert. Was vor ein paar Jahren als absolutes No-Go galt, ist heute absolutes Muss (Studie: Recruiting Trends 2019, Universität Bamberg): Jedes dritte Unternehmen tummelt sich auf Xing und LinkedIn, um Stellenanzeigen und Inhalte aus dem Unternehmensalltag zu posten. Ebenso viele gewähren auf Facebook einen Blick hinter die Kulissen. Auch verhältnismäßig junge Kanäle wie Instagram sind schwer im Kommen. Hier postet jeder fünfte Arbeitgeber Bilder, Videos und veröffentlicht Stories.

Wie wir alle wissen: Social-Media-Kanäle sind keine Einbahnstraße. Immer mal wieder trudeln Rückfragen potenzieller Bewerber ein, die Du beantwortest. Logisch, dass Du dann auch mal auf dem Profil guckst, wer sich da als künftiger Kollege ins Gespräch bringen will. Keine Sorge. Das ist nicht nur menschlich nachvollziehbar, sondern auch datenschutzrechtlich völlig okay – denn es handelt sich um öffentlich verfügbare Informationen, die Du Dir bedenkenlos anschauen kannst.

Instagram Recruiting: Private Einsichten

Aus rechtlicher Perspektive muss Dir also weder heiß noch kalt werden, wenn Du dir Postings Deiner Bewerber auf Instagram anschaust. Was die Inhalte angeht, sieht das manchmal ein bisschen anders aus. Wie bereits angedeutet: Das soziale Netzwerk, auf dem fleißig Bilder und Videos geteilt werden, ist als Recruiting-Kanal noch eher neu. Es hat daher einen privaten Charakter und bietet mitunter Bildmaterial, das im klassischen Recruiting definitiv außen vor bleiben würde.

Manches ist harmlos, manches eher nicht. Da gibt die Verniedlicher, die sich virtuelle Hasenöhrchen auf den Kopf und ein Stupsnäschen ins Gesicht zaubern. Es gibt die Coolen, die in Gangsta-Rapper-Manier posen. Und ja, es gibt auch die Slideshows, die man wirklich so gar nicht gegenüber der eigenen Mutter vertreten könnte. Du weißt schon …

Die Eindrücke auf unterschiedlichen Portalen gehen weit auseinander

Egal, auf welche Motive Du nun bei deinem Background-Check stößt und wie sehr dich die Inhalte auch irritieren mögen, mache dir unbedingt bewusst, dass ein- und dieselbe Person in unterschiedlichen Portalen völlig unterschiedlich wirken kann. Je nachdem, ob sie sich privat gibt oder im Business-Umfeld agiert.

Um das einmal zu verdeutlichen: Es macht schon einen Unterschied, ob Du eine Person so, so, so oder so siehst …

Manche Talente passen Profile an

Natürlich sind sich aber auch Talente zunehmend darüber im Klaren, dass Personaler inzwischen auf so ziemlich jedem Netzwerk nach Kandidaten suchen. Es gibt daher auch die Fraktion, die ihr Profil bewusst anpasst, um von Unternehmen gefunden und auf eine bestimmte Weise wahrgenommen zu werden. Denn das ist allemal einfacher, als selbst auf Jobsuche zu gehen.

Talente, die entdeckt werden wollen, sehen zu, weder zu unseriöse noch sehr private Einträge zu posten. Sie veröffentlichen nur Inhalte, die die eigene Persönlichkeit unterstreichen. Um über das eigene Profil mehr Reichweite und Sichtbarkeit zu erlangen, beteiligen Sie sich außerdem möglichst kompetent an Diskussionen in verschiedenen Gruppen eines Netzwerks und hinterlassen in den Kommentar-Spalten konstruktive Beiträge. Der ein oder andere betont auch sein soziales Engagement und spricht von der Ausübung sozialverträglicher Hobbys. Und so weiter und so fort.

Was ist Fake, was nicht?

Dagegen ist an sich nichts so sagen – so lange Talente authentisch bleiben. Aber auch hier kann irgendwann der Punkt erreicht sein, an dem es weh tut. Manche Kandidaten gehen sogar so weit und nutzen Stockfotos mit einem Model für das eigene Profilbild. Im Jobinterview fällst Du als Recruiter dann aus allen Wolken, weil Du einer ganz anderen Person gegenübersitzt als erwartet.

Doch in vielerlei Hinsicht sind Social-Media-Profile geduldig. Da werden Kompetenzen eingebaut, von denen das Talent in Wahrheit nicht einmal weiß, wie sie ausgesprochen werden. Lebenslaufdaten werden weggelassen oder hinzugefügt. Da wird ein Praktikum schnell mal zu einer Assistenzstelle aufgebläht und, und, und. All das ist möglich, weil die Angaben über die Netzwerke kaum überprüfbar sind. Denn im Gegensatz zur klassischen Bewerbung finden sich in den Online-Auftritten keine Zeugnisse oder Arbeitsproben, die belegen, womit sich das Kandidat da schmückt.

Was ist aussagekräftiger?

Wie wichtig ist Professionalität?

Wie wichtig ist Authentizität?

Schönfärbereien aufdecken

Aber keine Sorge. Diesen stark schöngefärbten Profilen kommst du auf die Schliche. Schau dir zum Beispiel genau an, wie ein Talent beispielsweise in Gruppendiskussionen auftritt. Äußert es sich fachlich fundiert? Ja? Dann scheint der Wahrheitsgehalt des Profils zu stimmen. Oder ist alles nur heiße Luft oder wohlmöglich aus dem Internet kopiert? Und tschüss!

TIPP: Vergleiche doch einfach mal die Profile auf den verschiedenen sozialen Netzwerken miteinander. Bestätigen die Einträge, Fotos und Informationen auf Facebook die Angaben auf LinkedIn und Xing? Sieht man zum Beispiel, wie sich der Kandidat an den Greenpeace-Aktivitäten beteiligt, die er auf Xing so ausführlich beschrieben hat? Findet sich kein Hinweis darauf, ist das schon einmal verdächtig. Wem die Umwelt so am Herzen liegt, der müsste doch eigentlich auf allen Portalen darüber reden, oder nicht?

Wie steht’s um Political Correctness?

Du findest das ziemlich aufwändig? Zugegeben, das ist es. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom gehen aber inzwischen viele Deiner Kollegen genau so vor: Sie checken öffentliche Äußerungen zu Fachthemen (67 %) sowie zum Unternehmen und seinen Wettbewerbern (53 %). Im Zuge der Recherche prüft jeder dritte Personalverantwortliche auch direkt nach, welchen Hobbies der Kandidat nachgeht und welche privaten Aktivitäten er auf seinem Social-Media-Profil zur Schau stellt.

Zwei von drei Personalern überprüfen Bewerber in Social Media:

2013: 23%
2015: 46%
2018: 63%

Dabei hat laut der Studie ein Thema in den vergangenen drei Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen: Die politische Ansicht der Bewerber. Interessierten sich 2015 gerade einmal vier Prozent der Personaler dafür, welcher politischen Gesinnung ein Jobinteressent zuzurechnen war, wollten das 2018 bereits 16 Prozent wissen.

Recruiter lernen dazu …

Die Studie zeigt aber auch, dass Personaler inzwischen durchaus differenzieren können, auf welchem Netzwerk sie welche Fundstücke sehen. Wenn Bewerber etwa auf Facebook Fotos posten, auf denen sie besoffen Bierdosen auf dem Kopf balancieren, ist das in den meisten Fällen gar nicht so schlimm, wie Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder betont: „Kein Personalentscheider ist so weltfremd, dass er Bewerber aussortieren würde, weil sie ausgelassen feiern.“

Im Gegenteil. Es gibt auch positive Einflüsse, wenn Personaler einen privaten Eindruck von einem Bewerber bekommen. Sie lernen nämlich den ganzen Menschen in all seinen Facetten kennen und können viel besser einschätzen, ob er zum Unternehmen passt oder nicht.  Innerhalb vertretbarer Grenzen versteht sich. Talenten sei also geraten: Beim Besoffen-Bierdose-Balancieren besser die Hose anlassen. Dann nimmt die Karriere keinen Schaden.

Vanessa Kurz

Vanessa Kurz beschäftigt sich seit 2014 mit dem HR-Bereich und damit, wie Strategien aus dem Marketing im Recruiting angewendet werden können. Insbesondere interessiert an innovativen Technologien, die aus neuen Blickwinkeln auf den modernen Bewerber-Markt schauen.

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